Mein 11. September 2001

5
Sep
2006

Plötzlich war alles anders...

Am 11. September 2001 war ich dabei, meine Klamotten für den Herbst durchzusehen. Weil ich nur eine kleine (meine erste eigene) Wohnung hatte, hatte ich einen Teil der Sachen über den Sommer bei meinen Eltern gelagert. Ein bestimmter Pulli fehlte in meiner Kollektion und ich fuhr mit dem Rad zu meinen Eltern, um ihn abzuholen.
Als ich bei meinen Eltern ankam, waren beide auf der Arbeit, nur mein vier Jahre jüngerer Bruder Johannes war da und hat ferngesehen. Ich bin auf den Dachboden gegangen und hab meinen Pulli rausgesucht und dabei gleich auch noch ein paar Schuhe und eine Bluse eingepackt. Dann bin ich wieder nach unten ins Wohnzimmer gegangen, wo Johannes wie gebannt vor dem Fernseher gesessen hat.
"Mensch, Eva," hat er gesagt, "da in Amerika ist was passiert. Ein Unfall - oder so..."
Ich erinnere mich nicht mehr genau, aber ich glaub, das war der Moment, als das zweite Flugzeug in den Turm geflogen ist.
Ich hab plötzlich auch auf den Bildschirm gesehen, meine Tasche mit dem Pulli ist auf den Boden gefallen ohne dass ich das realisiert hab. Ich hatte auf einmal Angst und hab angefangen zu zittern, ob ich geschrieen hab weiß ich nicht mehr, aber mir war plötzlich klar, dass es kein Unfall war. Johannes hat wie erstarrt vor dem Bildschirm gesessen. Unsere Eltern waren immer noch auf der Arbeit und ich wusste, dass sie nicht zu erreichen waren.
(Später hat meine Mutter gesagt, ihre Chefin hätte in aller Ruhe ihre Konferenz abgehalten und anschließend gesagt: in Amerika wurden vorhin mehrere Terroranschläge verübt.)
Ich hab meine Tasche gepackt und bin wie eine Verrückte nach Hause geradelt. Da hab ich mein Adressbuch rausgekramt und die Nummer von meinem alten Lehrer gewählt. Ich war so verdammt froh, als ich endlich die Stimme von einem "Erwachsenen" gehört hab. Ich hab ihn gefragt, was wir tun sollen. Er wusste es auch nicht. Das war das erste Mal, dass ich ihn ratlos erlebt hab. Schließlich hat er gesagt: "Ein Vorrat von Essen kann vielleicht nicht schaden."
Da ist mir erst richtig klar geworden, dass es eine wirklich ernste Lage ist, denn mein Lehrer ist normalerweise kein Paniker und auch kein Traumtänzer. Ich bin also in die Küche gegangen und hab im alten Kochbuch unter "Aktion Eichhörnchen" nachgeschlagen. Das Buch war noch von meiner Oma aus der Zeit vom kalten Krieg und darin stand, was in einen Notvorrat gehört. Ich hatte mir das schon oft durchgelesen, aber nie gedacht, dass ich es mal brauchen könnte. Anschließend hab ich das Geld aus der Dose genommen und bin zum Supermarkt gefahren. Im Supermarkt hatte ich schon wieder vergessen, was im Kochbuch gestanden hat, also hab ich gekauft, was mir logisch erschienen ist: Konserven mit Obst, Gemüse und Fleisch, Mehl, Hühnerbrühe und Kamillentee falls jemand krank wird, Zucker, Frühstücksflocken und H-Milch.
Zu Hause hab ich dann die Vorräte im Schrank eingeräumt und hab dann das Radio eingeschaltet. Weil ich nicht wusste, was ich sonst noch tun sollte, hab ich weiter aufgeräumt, während ich Radio gehört hab.
Am nächsten Morgen auf der Arbeit hat keiner was gesagt, aber die Angst war da und so dick, dass man sie fast mit Händen greifen konnte.
Abends war in der Kirche eine Andacht, zu der ich hingegangen bin. Wir haben uns alle vor dem Altar versammelt, statt wie sonst im Kirchenschiff. Unsere Pastorin hat gebetet, anschließend haben wir gesungen "Gib Frieden, Herr, gib Frieden, die Welt nimmt schlimmen Lauf..." Wir hatten alle irgendwie Angst und ein paar haben auch geweint.
Ich hab tagelang später noch alle Ereignisse in meinem Tagebuch notiert. Langsam hat sich die Lage in unserem Dorf dann wieder einigermaßen beruhigt. Johannes hat irgendwann ganz trocken gesagt: "Wir wohnen am sichersten Platz der Welt, in diesem kleinen unwichtigen Dorf wird kein Terrorist je einen Anschlag verüben!" Das hat mir eingeleuchtet, bei uns in der ganzen Gegend gibt es auch nicht ein einziges lohnendes Ziel, wahrscheinlich wissen die Terroristen überhaupt nicht, dass es unser Dorf gibt.
Inzwischen haben wir uns irgendwie mit dem Terror arrangiert. Wenn der Terror kommt, dann kommt er, wir können dann sowieso nichts machen. Und bis dahin leben wir eben weiter, falls wir tatsächlich nur noch einen kleinen Rest haben, dann soll es ein schöner Rest werden. Wenn nichts passiert ist es noch besser. Nur neulich, als der Hamburger Bahnhof gesperrt war, hatte ich wieder schreckliche Angst, denn in Hamburg wohnen Freunde von mir und einer von ihnen muss mit der Bahn zur Ausbildung.

Eva

23
Aug
2006

Mein September 11 2001 in China

Ich hab den Tag genau in Erinnerung. An dem Tag war ich in Beijing. Ich arbeite als Reiseleiter und meine Gruppe aus Deutschland sollte an diesem Tag von Deutschland nach Beijing fliegen. Durch die Zeitverschiebung passierte das in NY abends etwa gegen 21 h Beijing Time. Ich sass grad in einer Bar, wo sich viele andere Auslaender aber auch Chinesen vergnuegen und hab ein Bier vor mir stehen gehabt. Eigentlich laeuft in der Bar auf mehreren Fernsehern verschiedne Sportkanaele. Die wurden ploetzlich unterbrochen und es kamen Bilder von dem ersten brennenden Turm. Ich weiss noch genau, dass ich gleich den wirklich dummen Witz riss: "Also die Amerikanischen Piloten sind doch wirklich dumm, in so ein grosses Gebaeude zu fliegen." Dann kamen aber immer mehr Bilder und es wurde immer deutlicher, was passiert war. In der Bar laeuft sonst eigentlich auch Lifemusik. Die Band musste dann aber irgendwann aufhoeren als immer klarer wurde was dort in NY passiert war. Gebannt starrten alle auf die Bildschirme. Gegen 1 h morgens bin ich dann zurueck in mein Hotel und hab dort noch weiter 2 Stunde die Berichte fassungslos angesehen. Am Morgen hatte die China Daily ein Bild von einem der zusammenstuerzenden Tuerme auf der Titelseite. Mit der Zeitung fuhr ich zum Flughafen, um meine Gruppe abzuholen. Die hatten in Frankfurt am Flughafen auf den Bildschirmen den Anfang gesehen, mussten dann aber ins Flugzeug steigen und konnten so nicht mehr sehen, wie die Tuerme zusammenstuerzten. Der Flug wurde ohne Probleme abgefertigt, bei den naechsten maschinen die Frankfurt verlassen haben, soll es dann Verspaetungen gegeben haben. Einige haben wirklich sehr ungern diesen Flug angetreten, wie sie mir hinterher erzaehlten.Wegen des heiklen Themas hat es auch im Flugzeug selbst keine naeheren Informationen gegeben, sodass die Passagiere im Ungewissen blieben. Fassungslos sahen sie sich dann die Zeitung an, die ich ihnen mitgebracht hatte und wir fuhren sofort ins Hotel, um weitere Nachrichten zu bekommen, denn man konnte ja nicht wissen, was das fuer Konsequenzen auf der ganzen Welt hatte. Normalerweise macht man am ersten Tag gleich Besichtigung, aber in Anbetracht der Ereignisse, war niemand in der Stimmung fuer Sighseeing. In China wurden dann auf den Flughaefen sofort die Sicherheitsbestimmungen verstaerkt. Auf den naechsten Fluegen mit dieser Gruppe durchs Land mussten wir am Flughafen die Schuhe ausziehen und schon damals wurden Getraenkeflaschen kontrolliert. Ganz schlimm hatte es amerikanische Gruppen getroffen, denn die sassen fuer ein paar Tage in China fest, weil ja kein Flugzeug mehr aus Amerika kam, mit dem sie haetten zurueckfliegen konnten. So weit ich mich erinnern kann hat es auch recht lange gedauert, dass wieder amerikanische Gruppe in ausreichender Gruppenstaerke nach China reisten. Obwohl China wenig gefaehrdet ist, so sind doch auch hier die amerikanischen Botschaften und Konsulate hermetisch abgeriegelt.

Eigentlich alles Normal, bis der Fernseher anwar!

Eigentlich war alles normal an dem Tag. Das Schuljahr hatte gerade erst begonnen, wir nahmen also noch sehr leichten Stoff in der Schule durch. Es verlief eigentlich alles so, wie es immer verlief: Um zehn nach eins hatte ich Schule aus , um halb zwei war ich zu Hause. Machte mir was zu essen und schaltete den Fernseher ein. Ich guckte wie immer Die Oliver Geißen Show, weil sonst nix anderes kam. Circa Viertel vor 2 war Werbung. Naja, sollte zumindestens sein. RTL unterbrach den Werbeblock für einen Newsblock mit den Aktuellen Geschehnissen aus New York. Peter Klöppel schaltete Live nach New York, wo man den brennden Nordturm sah. Es wurde gesagt, dass es sich um einen Flugzeugeinschlag handle und es nur ein Unglück sei. Die Zeit, die also mit Werbung gefüllt sein sollte war also mit den Nachrichtem ums WTC gefült. Die Oliver Geißen Show lief zu Ende und es kam nochmal ein Nachrichtenblock mit Liveschaltungen. Doch diesmal handelte es sich um einen sehr langen Nachrichtenblock. Kurz nachdem Oliver Geißen zu Ende war flog während der Liveschaltung das zweite Flugzeug in den Südturm. Es gab eine riesen große Explosion. Trümmerteile flogen durch die Luft. Ich war zu tiefst geschockt. Selbst Peter Klöppel war für einige Minuten total stumm. Es vergang ungefähr eine Stunde in der ich wie gebannt auf den Fernseher schaute. Ich war total betroffen. Und dann passierte es: Der Südturm flog in sich zusammen. Meine Gedanken waren ganz bei den Menschen die zum Zeitpunkt im Tower waren. Die große Staubwand schob sich durch die engen Häuserschluchten New Yorks. Kurze Zeit flog auch der Norturm in sich zusammen, wieder schob sich eine noch größere Staubwolke durch New York. Ich war wie gelähmt. Ich wollte nicht vom Fernseher weg. Bis in die Nacht hinein hatte ich nichts anderes mehr im sinn, als am Fernseher zu kleben.

7
Aug
2006

Wo warst du, als die Welt sich stoppte zu drehen?

Ich erinnere mich noch genau was ich am 11 September gemacht habe. An diesen Tag war mein erster Schultag an der Berufsfachschule fuer Kinderpflege. In der Zeit wo das erste Flugzeug einschlug schrieb ich meinen neuen Stundenplan auf den Computer. Als unsere Nachbarin hereingestuerzt kam und meiner Mutter und mir sagte wir sollen sofort den Fernseher anmachen. Ich sah diese schrecklichen Bilder und mein Gedanke war sofort wer so bloed war und einen Anschlag gegen die Vereinigte Staaten durchfuehrte. Mir war es sofort klar das es kein Unfall sein kann, da kein Pilot so dumm sein kann und mitten in eine Area fliegt wo sich nur hohe Gebaeude befinden. Meine Mutter rief sofort alle ihre Freunde und Familie zusammen. Denn restlichen Tag haben wir nur vor dem Fernseher gesessen und die immer schrecklichen Nachrichten angesehen. Die restlichen Wochen konnte ich an nichts anderes denken als an die Familienangehoerigen und Freunde die an diesen Tag einen verloren haben. Selbst heute 5 Jahre danach sind mir die Bilder genauso frisch im Gedaechnis als waere das ganze erst gestern passiert.

3
Mai
2006

Ein Drehtag mit Folgen...

wtc

Was habe ich am 11. September 2001 gemacht? Also, ich weiß noch, dass ich an dem Tag frei hatte. Warum? Ich hatte - mal wieder - einen Drehtag als Komparse. Bis heute weiß ich nicht mal den Titel des Filmes. Morgens um 8.00 Uhr ging es los. Wir drehten in einer U-Bahn-Haltestelle bzw. U-Bahn ziemlich am Rande von Hamburg. Das Ende der Dreharbeiten war gegen 18.00 Uhr. Dann bin ich direkt nach Hause gefahren, weil den Abend noch eine Party von big spender (ein Förderverein für Aidsprojekte) sein sollte und ich dort als Schwester auftauchen wollte (also Schminkorgie etc.).

Nebenbei lief also Musik von CD. Irgendwann gegen 20.00 Uhr wollte ich dann von CD auf MTV wechseln...Schwarzbild... ich gezappt und dann sah ich erste Bilder. Ich konnte erst gar nicht einordnen, was da auf allen Kanälen lief. Hängengeblieben bin ich dann bei RTL. Ich konnte das im Laufe des Abends/der Nacht alles so gar nicht fassen. Da saß ich also, fertig geschminkt und schaute TV. Schon ziemlich surreal. Naja, ich habe mich dann nebenbei wieder abgeschminkt und habe dann die ganze Nacht TV geschaut.

Ein paar Mal mußte ich wirklich heulen.Viel schlimmer wurde es aber erst in den Tagen danach, wie z.B. bei einem Bericht, wo ein Helfer unter Tränen erzählte, dass er einen Schuh aufgehoben hatte und da steckte dann noch der Fuß drin. Furchtbar!

Ach so, die Party wurde übrigens natürlich auch abgesagt. Und erst später ist mir aufgefallen, das ich mich noch gewundert hatte, warum es so seltsam ruhig auf der Reeperbahn war, als ich nach Hause kam. Ach ja, und dann erinnere ich mich noch, dass mir mitten in der Nacht einfiel, dass Madonna ja den Abend eigentlich in LA auftreten sollte. Dieses wurde ja abgesagt und fand dann einige Tage später statt.

Dann erinnere ich mich noch, dass es einige Tage später eine Gedenkveranstaltung auf dem Hamburger Rathausmarkt gab. Er war hoffnungslos überfüllt. Dort wurden auch an den beiden großen Fahnenmasten zahlreiche Blumen und Kerzen niedergelgt. Die meisten wurden natürlich zur amerikanischen Botschaft an der Alster gebracht. Die Botschaft selber wurde da schon mit Betonblöcken und Panzerfahrzeugen abgeriegelt. Das hat sich übrigens bis heute kaum geändert. Mitten an den Spazierwegen an der Alster auf einmal eine Festung, und dass auch noch 5 Jahre danach. Autoverkehr gibt es dort schon seit dem 11.09.2001 nicht mehr.

29
Jan
2006

Mein 11. September

Ich hab den 11. September 2001 in einer Kaserne in Ingolstadt erlebt, in der ich meinen Grundwehrdienst ableistete. Am 11. September war ich gerade mal knapp zwei Wochen aus der Grundausbildung heraus und arbeitete mich in meine Stelle für die nächsten acht Monate ein. Ich hatte eine Bürostelle, so das das Radio eigentlich immer lief. An diesem Nachmittag hatte ich Belege zu sortieren und einzuheften, eine recht einfältige Arbeit.

Die ersten Meldungen vom Attentat hatte ich irgendwie nicht ganz realisiert. Es hieß im Radio das ein Flugzeug ins WTC gestürzt sei und man nicht wisse wie und warum dies passiert sei. Ich hatte die Meldung nicht ganz für voll genommen und hatte weitergearbeitet. Erst als das Radioprogramm kurze Zeit später unterbrochen wurde, ahnte ich, das dies kein "normaler Unfall" gewesen sein konnte. Kurz danach gab es die Meldung das ein zweites Flugzeug in den anderen Turm gerast sei. Etwa gegen 16 Uhr wurde der Dienst abgebrochen und ich konnte das Dienstzimmer verlassen. Auf den Fluren und im Mannschaftsheim war das Ereignis schon das beherrschende Thema. Ich ging mir schnell was zu essen holen und dann ab vor den Fernseher im Gemeinschaftsraum, der schon überfüllt war. Alles starrte wie gebannt auf den Fernseher und keiner konnte verstehen wie so etwas geschehen konnte.

Mir wurde immer mulmiger als ich erfuhr das auch in das Pentagon eine Maschine gesteuert wurde und auch eine weitere entführt wurde. Ich verlies den Fernsehraum, um meine Mutter anzurufen, denn so etwas hatte ich mir bestimmt nicht erträumt, schon garnicht während ich in der Bundeswehr bin. Irgendwie hatte ich ein sehr ungutes Gefühl gerade zu diesem Zeitpunkt Soldat zu sein.

So nach einer Stunde kam der Kompaniechef in den Raum und gab den Befehl durch das wir uns für 18:00 Uhr in Vollausstattung samt Waffe auf dem Appellplatz einfinden sollten. Der Brigradekommandeur befahl für diese Zeit eine Gedenkwache.

Nachdem sich die ganze Kaserne auf dem Appellplatz einfand schilderte der Brigadekommandeur die Ereignisse des Tages und rief fünf Schweigeminuten zu Ehren der Opfer aus.

Nach dem Ende des Appells versuchte jeder so schnell es ging und das Protokoll es zulies wieder in seine Einheit zu kommen, um wieder vor den Fernseher zu kommen. Keiner ging, wie sonst jeden Abend üblich in die Stadt, spazieren oder in die Disco.

Ich weiß garnicht mehr wie lange ich noch Fernsehen geschaut habe, es muss wohl so bis 22 oder 23 Uhr gewesen sein ehe ich dann auf meine Stube ging, denn der nächste Tag fing ja schon wieder halb sechs in der Frühe an.

Der 11. September wird mir für immer in Erinnerung bleiben, vorallem da ich ihn denke ich auf eine ganz besondere Weise erlebt habe.

6
Jan
2006

New Order

Gestern war's noch Sommer, heute isses Herbst, dachte ich, als ich auf dem Balkon meiner Freundin stand, 300 Meter über dem Bodensee, den Morgennebel inhalierte und von Heiligenberg hinuntersah ins Deggenhauser Tal. Scheiß, daß ich keine Kohle habe. Sonst würd ich mit ihr nach Naxos fahren. Je nun, mein Buch nimmt sie ja mit, dachte ich. Mein Buch, das auch von dieser Gegend handelt, den höheren Welten der Anthros gleich hier umme Ecke. Immerhin.

Ich drehte mir eine Zigarette, begann zu pfeifen, tippte den Takt mit dem rechten Zeh und schnippte mit den Fingern. Ha! dachte ich. Zu Hause hab kann ich wenigstens die Neue von New Order hören: We're like crystal, we break easy, I'm a poor man, if you leave me, I'm applauded, then forgotten, it was summer, now it's autumn ... wie das paßt. Endlich haben die mal wieder eine gute Single, eine ihrer besten. Keep it coming, keep it coming, keep it coming, keep it coming, sang ich vor mich hin, und ich sang es auch noch, als ich schon längst im Zug nach Bremen saß. Keep it coming, keep it coming, keep it coming, keep it coming ...

Auch in Bremen war das Wetter inzwischen herbstlich geworden, das Licht hatte sich verändert; doch es waren milde Tage, würzig duftend nach Laub, und ich hörte Crystal von New Order und sang aus Leibeskräften mit. Keep it coming, keep it coming, keep it - halt! jetzt ruft mal deine E-Mails ab, mahnte ich mich und begann zu stöhnen. Elf E-Mails von derselben Person, alle vom 11. September, eine Anfrage nach der andern. Mürrisch begann ich zu arbeiten, bis tief in den Nachmittag hinein, jajaja, ich werd das machen, ich werd den Krempel lektorieren, doch was wird aus meinem eigenen Buch? dachte ich. Jetzt hab ich wieder keinen Verleger, und die Zeit drängt. Es muß endlich offiziell erscheinen, nicht bloß als popeliger Privatdruck. Die Zeit ist reif für dieses Buch, verdammt. Ich tippte vor mich hin, bis mich der Hunger aus dem Hause trieb, ich mich auf mein Fahrrad setzte und durchs Viertel fuhr, an diesem Tag, der sich von keinem anderen unterschied. Ich fuhr zu PLUS neben der Schauburg, kaufte das Allernötigste, setzte mich wieder aufs Rad und fuhr singend durch die Horner Straße. I like to be in America, sang ich und hörte im Geiste die böse Version von The Nice. Wieso fällt mir das jetzt gerade ein? dachte ich. Na egal. Die Scheibe mußt du auch mal wieder hören. Gut, daß der prollige Tabakladen an der Ecke um diese Zeit noch geöffnet hat.

Ich bog ab nach rechts, in die Humboldtstraße, schloß mein Fahrrad ab und betrat den muffigen Laden. Gegenüber dem Tresen lief, wie immer, der kleine Fernsehapparat. Es war gegen halb acht,
und im Regionalmagazin Buten & Binnen war nichts zu sehen als Schutt & Rauch. Was'n da los? dachte ich. Brennt das Siemens-Hochhaus am Bahnhof? Aber dann hätt ich ja wohl die Feuerwehr hören müssen. Na egal. Ich wandte mich dem Mann am Tresen zu. "Was'n da los?" fragte ich.
"Attentat in New York", sagte er.
"Wie bitte?" fragte ich verwirrt, noch immer das Stück von The Nice im Kopf, den Kommentar zum Krieg in Vietnam. "Geschieht denen recht", hörte ich mich sagen.
Der Ladeninhaber, ein alter Knacki, dachte ich immer, blitzte mich böse an. "Neenee, 50.000 Tote! Das iss ernst!"
"Waaas?" rief ich, sah wieder auf den Bildschirm, begann allmählich zu begreifen, was geschehen war, you shock me to the core, you shock me to the core, und bekam eine Gänsehaut. "Das gibt Krieg!" rief ich, kaufte meinen Tabak und stürzte auf die Straße. "Habt ihr schon gehört?" rief ich zwei Passanten zu. "Attentat in New York!"
Die beiden sahen mich stirnrunzelnd an.
"Ein Attentat aufs World Trade Center!"
Die spinnt doch, sagten ihre Blicke. "Na und?" achselzuckte einer, und beide gingen in den Laden, vorbei an mir und meinem Fahrrad.
Ihr werd't euch wundern, dachte ich. Das gibt Krieg. Die Welt zerbricht. Nur schnell nach Hause, bei den Nachbarn klingeln.
"Wir kucken schon die ganze Zeit", sagten Gundula und Michel. "Das sollen irgendwelche arabischen Terroristen gewesen sein."
"Gottverdammte Idioten", schnaubte ich und spürte, wie die Bilder zu wirken begannen, diese Flugzeuge, diese Türme, diese Trümmer, dieses Feuer, dieser Rauch, wieder und wieder. "Das gibt Krieg."

We're like crystal, we break easy ... it was summer, now it's autumn ... die Welt zerbricht, dachte ich wieder und wieder, während ich die Bilder sah, diese Flugzeuge, diese Türme, diese Trümmer, dieses Feuer, diesen Rauch, alles so perfekt wie in einem Hollywoodfilm, aber das hier war Hollywood live, The Clash of the Civilizations, Äktschn pur, Babylon's Burning, es ist wahr, es ist wirklich wahr, 's ist Krieg, 's Krieg, 's leider Krieg, dachte ich, und wir saßen zu dritt vor der Glotze, "Das gibt Krieg!" sagten wir, und siehe, es gab Krieg.

________

Soundtrack New Order, Crystal (mp3,

21
Dez
2005

...

Der 11. September ist der Geburtstag meiner Schwester. Während der Geburtstagsfeier erhielt eine Freundin einen Anruf von ihrem Mann, der erzählte, dass ein Flugzeug ins World Trade Center geflogen sei.
"Quatsch", dachte ich, der Typ ist doch ein Schnacker, der hat bestimmt was falsch verstanden. Wir haben dann den Fernseher angemacht und die schrecklichen Bilder gesehen.
Da auf der Geburtstagsfeier auch mehrere Kinder waren, wurde der Fernseher gleich wieder ausgemacht. Ich konnte es kaum glauben, was ich gesehen hatte. Bin eine Etage höher zu meiner Mutter gegangen und habe dort weiter Nachrichten geschaut.

Ich war zutiefst erschüttert und hatte das starke Bedürfnis, meinen Freund anzurufen. Aber ich traute mich nicht. Der Grund, weswegen ich bei meiner Schwester war, war ein Streit mit meinem Freund - ich wollte ihn verlassen, bei ihm ausziehen.

Als ich die schrecklichen Bilder aus New York sah habe ich überlegt, wo ich im Falle einer Katastrophe sein wollte, mit wem ich sterben wollte. Mit meinem Freund.
Naja, ich habe dann angerufen, wir haben uns wieder vertragen.

Die Bilder aus New York haben mir in den nächsten Tagen immer wieder einen dicken Kloß im Hals verursacht. Besonders die Bilder von den Menschen, die mit Fotos von ihren Angehörigen herumirrten und jeden fragten, ob sie vielleicht den Ehemann, Freund oder Verlobten gesehen hätten.

Ähnlich mitgenommen wie die Geschehnisse in New York hat mich letztes Jahr die Tsunami-Katastrophe.

17
Dez
2005

911 for peace

Wobei "peace" ja dann nicht mehr politisch korrekt war. "Pace".

Ich war an besagtem Tag ein paar Monate lang 24 und Zivi an der hiesigen geriatrischen Klinik. Wir waren mit dem Auto unterwegs und hatten gerade ein kleine Pause eingelegt, ich um zu rauchen, der Kollege, weil Nichtraucher, wohl um der Pause willen. Das Radio war auf DLF eingestellt, es war die Rede von einem Flugzeug das eben in einen der Türme des WTC geflogen war.

Meine Gedanken gingen erst einmal in die Richtung "Sportflieger, Fehler, Unfall". Wir haben uns das angehört, und wenn ich mich recht erinnere, kamen die Informationen nur spärlich über den Äther. Als wir zurück kamen und unserem Vorgesetzten davon erzählten, hatte der uns das erstmal nicht geglaubt. Wir haben dann in einem der Bereitschaftszimmer den Fernseher angeworfen.. und ab dann war das für lange Zeit so ziemlich das einzige Thema mit dem man beschallt wurde.

Seltsam ist, dass ich mich sehr genau und plastisch an den Tag an sich erinnern kann - ich war später noch schwimmen und abends mit einem Freund etwas trinken - aber kaum an meine eigenen Empfindungen. Die einzige Regung die ich zurückholen kann, war eine gewisse Entnervtheit. In allen Cafés liefen die Fernseher, überall war dieses "Mein Gott, wie furchtbar" in der Luft gehangen, meistens auch ausgesprochen, Aber auf eine, mhh, naive, falsche Art und Weise.

Definitiv hat sich für mich aber einiges geändert, oder besser, in mir. Ich war nie jemand, der besonders positivistisch durchs Leben gelaufen ist, meinen ersten ernsthaften Weltschmerz hatte ich da schon lange hinter mir, aber durch dieses Ereignis und allem was darauf bis heute folgte, wurde meine Sicht der Dinge und vor allem der Menschen (als "Die Menschheit") ein paar Schattierungen düsterer.

5
Dez
2005

"So darf man nicht denken..."

An den 11. September 2001 selbst erinnere ich mich nicht mehr genau. Natürlich habe ich die Bilder im Fernsehen gesehen und war genau so geschockt wie bei anderen großen Katastrophen auf der Welt. Außerdem dachte ich aber noch etwas...

Gut erinnere ich mich an den 12. September. Da traf ich vormittags in unserer Straße eine Nachbarin, noch älter als ich, die in ihrer Jugend den Bombenkrieg noch bewusster als ich erlebt hat. Sie sagte: "Als erstes dachte ich: das kommt uns doch bekannt vor? - Aber nein, so darf man nicht denken!" Sie ist eine sehr fromme Frau. Ich fand nicht, dass man "so nicht denken" darf.

In den folgenden Tagen fiel mir sehr auf: im Tante-Emma-Laden, beim Metzger, beim Bäcker, wo wir Nachbarn uns immer unterhalten und Neuigkeiten austauschen: niemand sprach über den 11. September, es herrschte ein merkwürdiges Schweigen. Niemand traute sich laut auszusprechen, was zumindest aus meiner Generation alle dachten:

Jetzt erleben die Amerikaner endlich mal am eigenen Leibe, wie es ist, wenn einem die Häuser über dem Kopf zusammenstürzen, wenn Zivilisten, von oben her angegriffen, massenhaft sterben.

Das war mein 11. September 2001.
9/11

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